Dienstag, 7. Februar 2023

Der "Preußen"-Mythos

Das von mir im Beitrag vom 5.2.2023 erwähnte "Sprechen wir über Preußen" (1981) von J. Fernau, dem laut Verlag "unnachahmlichen" Stammtisch-Historiker und (wie ich nachträglich sah) ehemaligen "SS"-Kriegs-Bericht-Erstatter (zuständig für "Endsieg"-Propaganda), ist übrigens bis auf das dortige Zitat aus der Einleitung nicht weiters lesenswert:
im Untertitel heißt das Buch zwar "Die Geschichte der armen Leute" (deshalb habe ich es auf dem Flohmarkt gekauft, und auch in Erinnerung an Fernaus "lustige" 70er-Jahre-Bestseller-Historien der alten Griechen und Römer, nichts ahnend, daß er bei den Germanen nach wie vor andere Saiten aufzog: ein (wie so viele) nicht wirklich "ent-nazifizierter" Globke/Filbinger/Waldheim des deutschen Publizismus...), und laut Verlags-Angabe berichtet das Buch "auch und vor allem [?] vom gemeinen Volk, dessen zumeist harte Lebensbedingungen er anschaulich [?] beschreibt" - davon ist aber auf den ersten 300 von 315 Seiten nichts zu lesen (außer, daß es unter andern Feudal-Despoten mindestens genauso schlimm war), sondern nur von der Glorifizierung des "Großen Kurfürsten" (unter dem immerhin Müllabfuhr und Straßen-Beleuchtung eingeführt wurden), Friedrichs "des Großen" (der angeblich lieber Flöte als "gezwungenermaßen" Krieg gespielt hätte) und Bismarcks (der in Wirklichkeit eine Fistel-Stimme hatte und öffentlich weinen konnte, obwohl er laut Fernau nicht nur mit der manipulierten "Emser Depesche" immer eisern recht hatte), sowie von deren erfolgreichen Generälen und dem amoralischen imperialistischen Hochwursteln Preußens (samt pauschalem Bedauern der dafür zigtausenden Gefallenen und freundlich-ironischer Demontage weniger "bedeutender" Preußen-Potentaten, sowie, nicht ganz zu unrecht, Voltaires).

Erst auf den letzten Seiten, die das "Ende Preußens" durch die Gründung des (am Ende "preußischen") "Deutschen Kaiser-Reichs" 1871 zum Inhalt haben, kommt Fernau darauf zurück, daß die "preußische Idee" längst nicht mehr von den Hohenzollern, ihrem Hofstaat und ihren Bankiers, sondern nur noch von den "armen Leuten", also dem "gemeinen Volk" verkörpert wird (aber auch hier nichts über deren "harte Lebensbedingungen"): die "Eingeborenen" waren laut Fernau schon 1525 zu "zynisch" und trotz Hunger eher zu "Witzen" als zum Aufstand geneigt, sodaß sie an der deutschen Bauern-Revolution (die Fernau immerhin, und zu recht, für bedeutender, als die französische von 1789 hält) nicht teilnahmen; und die wegen "Fachkräfte-Mangel" in der Folge ganz "tolerant" aufgenommenen Immigranten waren aus Dankbarkeit so loyal, daß sie "preußischer als die Preußen" wurden.

Der bekennende "West-Preuße" Fernau (geb. 1909 in Bromberg, Provinz Posen, gest. 1988 in München, der "Hauptstadt der Bewegung") befindet, ohne seinen eigenen Widerspruch zu sehen: "Das simple Nicht-einverstanden sein ist etwas sehr Kümmerliches, (...) Es liegt an unserem heutigen satten Leben. Nein, ohne Druck und Not schweißt nichts zusammen. Damals [zur Zeit des prasserischen "Schafkopfs" Friedrich I. (reg. 1688-1713), als auch nach Fernaus Meinung eine Revolution angestanden hätte] war Preußen arm und in großer Not", aber "das Volk machte nicht mit. (...) Der Fürst versagte, das Volk hielt stand. Es klammerte sich an das ihm unbewußte Preußische. Es blieb integer, es hungerte, aber es hatte ein gutes Gefühl", meint Fernau allen Ernstes und fügt kokett hinzu: "Lächerlich, nicht wahr? Nun ja, am Preußentum ist schon etwas Kindisches." - Das gilt letzten Endes auch für Eichmann.

Diese brandenburgischen, pommerschen, schlesischen, hugenottischen, österreichischen, westfälischen, holländischen, böhmischen, jüdischen (usw.) "Preußen" haben laut Fernau die "Idee" bzw, ihre "geschichtliche Mission erfüllt", ähnlich wie die klassischen Griechen oder Römer oder Gotiker: sie haben "als Volk einen Stil erschaffen", und der besteht nach Fernaus Ansicht aus "Wahrhaftigkeit gegen sich selbst, Pflichterfüllung im Kleinen in dem Bewußtsein, daß das Kleine ein Teil des Großen ist; sie meinen Sauberkeit, Einfachheit und vor allem Disziplin (...), was den preußischen Stil ausmacht: die Armut und die Einfalt. (..) Der Preuße ist einfältig, (...) Kargheit ist ihm gemäß; eine Armut, die von innen einen großen Glanz [=Motto des Buches: von Rilke] empfängt. Das ist ohne Vorbild."

Letzteres ist natürlich Quatsch: diese fatal-alberne Mischung aus Spartanertum und Athener-Zynismus, Legionärs-Gehorsam und calvinistischem Puritanismus ist also laut Fernau der hehre "Preußen"-Mythos - na, schönen Dank: da schauen wir doch lieber mal bei dem Viel-Schreiber-"Preußen" B. Engelmann nach: "Das Reich zerfiel - die Reichen blieben" (1972), "Ihr da oben - wir hier unten" (1973), "Wir Untertanen" (1974), "Preußen" (1979), "Berlin" (1984) usw. - Engelmann ist wenigstens wirklich auf der Seite der (wenn auch meist erfolglosen) "armen Leute"... Wie auch F.J. Degenhardt mit seinen immer noch lesenswerten westfälisch-"preußischen" Romanen "Zündschnüre" (1973), "Brandstellen" (1974) und "Für ewig und drei Tage" (1998).

Hybrid-Völker wie die "Preußen" (s. oben), die Briten (Kelten, Britannier, Wikinger, Angelsachsen, Dänen, Normannen usw.) oder die USA (der Völker-mordende "melting pot") waren schon immer die Geißel der Menschheit - Scheiß auf die "Globalisierung" !

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