Der Regisseur Stephan Suschke* denkt lesenswert über die Einengung der Meinungs-Freiheit nach ("Berliner Zeitung": „Wir werden von Leuten regiert, die keine Ahnung vom Krieg haben“ (msn.com) - Auszüge:
"Wenn ich etwas ernst genommen habe an diesem System, dann die freie Meinungsäußerung. Aber auf einmal wird all das schrittweise zurückgenommen, was angeblich gegen `die Russen´ verteidigt werden soll."
"Da herrscht plötzlich `Einheitsfront´, da werden die publizistischen Reihen fest geschlossen, da gilt nicht mal mehr ein Minimum an bürgerlichem Anstand [Beispiel: "kein Aufschrei" über Pöbeleien des Ukro-ex-Botschafters und "Bandera-Liebhabers" Melnik]. Die Muster – Unterstellungen und Diffamierungen – scheinen aus dem Handwerkskasten des Stalinismus zu kommen."
"Keine Diskussion über die Ukraine ohne die Verurteilung des `brutalen russischen Angriffskrieges´ (ich kann mich nicht erinnern, dass während des Einmarschs der Amerikaner im Irak mit Zehntausenden Toten die Medien mit derartigen Geschützen aufgefahren sind, von der Lüge Powells schweige ich)..."
"Ach ja, Freiheit. Das Freiheitsgeschrei der Hl. Agnes und der Hl. Annalena, das ständige Hantieren mit diesem gleißenden Begriff soll das Sterben ausblenden wie die Maskerade der Straßenbahnen, die mittlerweile durch Berlin fahren: tarnfarben, mit dem Bild eines deutschen Soldaten, der seine Waffe mit weißen Handschuhen präsentiert. Daneben die Slogans `Mach, was wirklich zählt´ und `Bei uns geht es ums Weiterkommen, nicht nur ums Stillstehen´ rahmen den Blick des unschuldigen Jungengesichts. Goebbels war eine gute Schule, nicht nur in der militaristischen Propaganda."
"Ich verstehe die Hohepriesterin der Freiheit, Frau Strack-Zimmermann nicht, die keinen Moment bedenkt, dass alles, was mit militärischer Ordnung zusammenhängt, das Unfreieste ist, was die Welt zu bieten hat."
"Mutig war ich, als ich mich während des Studiums weigerte, Reserveoffizier zu werden. Aber augenscheinlich gibt es bei vielen Menschen in unserem Land die Meinung, dass es mutig ist, etwas zu sagen, was nicht der Meinung der Regierenden entspricht. Das erzählt von einem Klima der Angst, das ich bisher nicht wahrgenommen habe, vielleicht weil ich in einem Milieu agiere, wo es möglich ist, alles zu sagen. Das wird zunehmend schwieriger, auch weil identitätspolitische Debatten politische Korrektheit einfordern."
"Nach dreißig Jahren haben [die Leute aus dem Osten] begriffen, [...] dass die glücksverheißende Welt der Waren ihre Verheißung nicht einlösten. Diese schmerzliche Erfahrung geht, spätestens seit der Corona-Krise, mit einer anderen Erfahrung einher, die Verengung des Meinungskorridors einerseits und eine moralgeleitete Ideologieproduktion anderseits."
"Heiner Müller beschrieb Ideologie `als falsches Bewußtsein. Sie wird geschaffen, indem wesentliche Aspekte von Wirklichkeit einfach weggelassen werden.´ Mittlerweile wird deutlich, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist. Instrumente stalinistischer Herrschaft sickern unbemerkt in die Debatten der Gegenwart ein. Was einst im Namen der sozialistischen Moral, in der Auseinandersetzung mit dem `Klassenfeind´ gepflegt wurde**, wird immer mehr zu einem Werkzeug in öffentlichen Auseinandersetzungen."
Siehe auch: Wege zum Ukraine-Krieg: "Schon nach deutscher Einigung waren die Weichen auf Konfrontation gestellt" (msn.com), G. Verheugen und P. Erler bei "Telepolis" zu ihrem aktuellen Buch: "Der lange Weg zum Krieg".
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* geboren 1958 in Weimar, Mitarbeiter Heiner Müllers, derzeit Schauspiel-Direktor am Landestheater Linz
** man kann das offenbar unvermeidliche Stalinismus-Trauma des selbst-kritischen "Ossis" Suschke auch in das US-Imperialismus-Trauma politisch kritischer "Wessis" (spätestens seit dem Vietnam-Krieg) übersetzen: der Stalinismus hat entgegen der reaktionären Thesen des deutschen "Historiker-Streits" weniger mit dem Nazi-Faschismus gemein, als mit dem ökonomischen, militärischen und geheimdienstlichen US- und NATO-Imperialismus...
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