Der greise, durch seinen Basis-Witz (Kopf-über-Aufhängung seiner Bilder) "berühmt" gewordene Georg Baselitz regt sich darüber auf, daß in der Dauer-Ausstellung der Münchner Pinakothek ein Gemälde des Nazis Adolf Ziegler "zwischen den Gemälden seiner Opfer" hängt: Ziegler war nämlich Mit-Organisator der Nazi-Kampagne gegen "entartete Kunst" und der gleichnamigen berüchtigten Ausstellung - trotz seiner hohen Ämter in der Nazi-Kultur-Politik wurde er nach dem Krieg (wie Millionen andere) als "Mitläufer" schnell "entnazifiziert" und starb 1959 unbescholten... Zehn Jahre später fing der 31-jährige Baselitz mit dem erfolgreichen Spektakel an, seine Bilder verkehrt herum aufzuhängen, nachdem er schon mit "expressionistischen" Onanisten-Selbst-Bildnissen kleine Skandale inszeniert hatte.
Das Baselitz echauffierende Ziegler-Gemälde ist ein nicht besonders "schönes" neo-klassizistisches (oder prä-raffaelitisches?) symbolistisches Tryptichon, in dem vier breithüftige nackte Frauen die "4 Elemente" darstellen sollen - ein eher harmloses Sujet, das aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte und nicht grade von Nazi-Propaganda strotzt, es sei denn, man hält gegenständliche und realistische Malerei per se für so "faschistisch", wie Brekers Skulpturen und Rieffenstahls Olympia-Film - aber was ist dann mit dem dänischen Klassizisten Thorvaldsen (1770-1844), dem norwegischen Naturalisten Vigeland (1869-1943) und den andern Vorläufern bis hin zu Michelangelo und den antiken Griechen? - Die Kuratoren der Pinakothek und so manche Kunst-Historiker halten es vielleicht zu recht für nötig, daß Nazi-Kunst nicht weggeschlossen und totgeschwiegen werden sollte, sondern gezeigt und diskutiert werden müßte: die belanglosen "4 Elemente" von Ziegler sind da eigentlich erst ein zaghafter Versuch. (Außerdem ist der Berliner Flughafen Tempelhof, 1936-41 nach Plänen von E. Sagebiel gebaut, weltweit der schönste und Menschen-gerechteste Groß-Flughafen aller Zeiten, was auch immer man vom damaligen "Reichs-Luftfahrt-(heute Lindners Finanz-)Ministerium" und seinem unsäglichen Leiter Göring halten mag...)
Die "Frankfurter Rundschau" (Baselitz und das Ärgernis eines NS-Gemäldes (fr.de)) weist in einem ansonsten eher konfusen Kommentar darauf hin, daß der lange als angebliches "Nazi-Opfer" betrachtete und längst als quasi "Nazi" (jedenfalls Antisemitist und Nationalist) enttarnte Emil Nolde immer noch "zwischen den Gemälden der Nazi-Opfer" hängen darf (vgl. den Roman von S. Lenz: "Deutschstunde") und mit seinen expressionistischen Aquarellen weiterhin als unverdächtiger "Wegbereiter der Moderne" gilt - vielleicht gilt das für Breker und Rieffenstahl noch mehr, wenn man sich die populäre Nachkriegs-Ästhetik des Kapitalismus vor Augen hält, wo Neo-"Expressionisten", "Abstrakte", "Neue Wilde" usw. nur Alibi-Produkte des abgehobenen "Kunst"-Markts sind, und Leute wie Baselitz oder "Neo" Rauch vom Massen-Publikum nach wie vor als "entartete Kunst" angesehen werden und man lieber Carl Spitzweg, Carl Larsson, Norman Rockwell oder bestenfalls Edward Hopper auf dem Apotheken- oder Sparkassen-Kalender sehen mag?
Insofern hat der Basis-Täuscher Baselitz recht, wenn er sich vermutlich als potentielles Opfer von "anti-modernen" Ignoranten in der Nachfolge Zieglers fühlt, aber den "Geschmack" des Massen-Publikums (auch wenn er dank staatlicher Verdummungs-Politik zweifelhaft ist) als "primitiv" und "reaktionär" voraus zu setzen, ist im Grund selbst "faschistisch" oder kommt zumindest nur aus dem Kasten-Denken einer "Künstlerischen Elite", die dank astronomischer Tantiemen, wie Sport-, Musik- und Film-"Stars", in einer neo-feudalen Parallel-Welt lebt, an die auch die erfolglosen "Künstler" sehnsüchtig glauben.
Bis zum Auftreten der individualistischen "Impressionisten" (und auch danach noch großen teils) war von Anbeginn jeglicher "Kultur" alle "Kunst" Ausdruck oder Spiegel (oder gleich im Auftrag) der herrschenden Institutionen: vom Hinkelstein über die frühen Religionen und "Reiche", die "Renaissance" und die Kirchen- und Hof-Künstler (und Satiriker) des Feudalismus und der imperialistischen National-Staaten: wenn man Ziegler und Breker aus der Kunst-Geschichte entfernen will, muß man das auch mit der gesamten "Kunst" der letzten 5000 Jahre samt Michelangelo, Mozart usw. tun - dazu gäbe es auch allen Grund, wenn man eine von brutalem historischem Propaganda- und Klassen-Ballast befreite neue Gesellschaft herstellen wollte: aber dann müßten auch "Kunst"-Markt-Profiteure wie Baselitz, Richter und Konsorten in Bedeutungslosigkeit versinken - was sie meinetwegen auch tun können und selbst ohne Revolution schneller tun werden, als Wilhelm Busch, Larsson, Rockwell, Deix, Waechter oder Haderer, wie die längst vergessenen "Moderne Kunst"-Ikonen der "entnazifizierten" 50er- und 60er-Jahre zeigen, die nur mal kurz und heftig beweisen sollten, daß "die Deutschen" natürlich nicht an Goebbelssche "Entartung der Kunst" glaubten, sondern es sogar noch "entarteter" können, wenn man sie läßt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen