Dienstag, 19. Oktober 2021

Auf dem Weg zum Ameisen-Staat

Der Ameisen-Staat entspricht im Wesentlichen der "Schönen Neuen Welt" von Huxley: was der Mensch dabei ist, auf umständlich-"wissenschaftlichem" Weg zu verwirklichen, haben die Ameisen (und die Termiten und teils die Bienen) seit Millionen von Jahren auf "natürlichem" Weg erreicht: eine sozio-genetische Kasten-Gesellschaft von altruistischen Individuen, deren Lebenszweck die Erhaltung der Art (und ihrer "staatlichen" Organisation) ist und die darauf konditioniert sind, ihre jeweilige Rolle im "Staat" geradezu mit "Lust" zu erfüllen (vgl. M. Maeterlinck´s "Leben der Ameisen" und dazu U.K. Le Guin´s SciFi-Roman "Planet der Habenichtse").

Die unerklärliche "Schwarm-Intelligenz" der Ameisen hat nicht nur die "Reichs"-Gründungen und den Imperialismus der Menschen vorweg genommen, sondern auch deren Sozial-Technologie, Ökonomie, Stadtplanung, Hygiene usw. im Grund bisher an rationalistischer Effizienz übertroffen - nichts desto trotz ist der "Ameisen-Staat" zumindest seit der "Aufklärung" ein negatives Symbol und die Menschheit bildet sich ein, "freier" als die Ameisen zu leben...

Weit gefehlt, vor allem, was die "fortgeschrittensten" menschlichen Staaten betrifft: während die Ameisen im Larven-Stadium (wie die Menschen-Larven in "Schöne Neue Welt") auf ihr sinnvolles Verhalten in ihrem perfekt funktionierenden "Staat" konditioniert werden, werden die Menschen der heutzutage "zivilisiertesten" Staaten auf gehorsames Funktionieren in artifiziellen und letztlich zerstörerischen Systemen konditioniert, nämlich in einem Kapitalismus, der ähnlich absurden und willkürlichen "Spielregeln" gehorcht, wie der im Grund militaristische "Sport" oder die sozial-darwinistischen "Gesellschafts-Spiele" - also den Regeln einer herrschenden Kaste zu ihrem eigenen Vorteil, wie langsam nicht mehr zu übersehen ist.

Während es im Ameisen-Staat keine erkennbare Herrschaft (weder durch "Königinnen", noch durch "Soldaten") gibt, sondern offenbar nur eine kollektive "Intelligenz" der individuellen Neuro-Ganglien, die man nicht mal als "Gehirne" bezeichnen möchte, gibt es bei den Menschen mit ihrem über-entwickelten Gehirn (vgl. K. Vonnegut´s Satire "Galapagos") offenbar eine kollektiv antrainierte Empfänglichkeit für Hierarchie-Propaganda und einen Verlust an kollektiver Intelligenz - man könnte sogar sagen: eine Zunahme an kollektiver Dummheit, bzw. an individueller Dummheit angesichts des absterbenden Kollektivs...

Daß der Mensch die "Krone der Schöpfung" sei und nach Darwin "die Angepaßtesten überleben", ist damit eigentlich widerlegt: die "primitiven" Ameisen sind seit Urzeiten "erfolgreich", während die Menschen seit wenigen tausend Jahren (und beschleunigt seit 200 Jahren "industrieller Revolution") völlig "unangepaßt" ihren eigenen Untergang (und den ihrer "Um"-Welt) betreiben und dabei nach einigen ausnahmsweisen Fortschritten (eigentlich, soweit wir wissen, nur die antike Philosophie in Europa und Asien, auf der alles Spätere basiert...) gesellschaftlich bloß in die angeblich verachteten Mechanismen des Ameisen-Staats zurück fallen, ohne dessen "Rationalität" zu erreichen - falls das überhaupt ein Ziel wäre, und nicht ein Armuts-Zeugnis angesichts der geistigen Leistungen menschlicher Gehirne von Lao Tse, Buddha, Pythagoras und Sokrates bis hin zu Kant, Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche, Camus usw.

Seltsamerweise fällt mir kein noch lebendes Gehirn (außer meinem eigenen) ein, das den Rückfall der Menschheit in den Ameisen-Staat kritisch thematisiert - es sei denn der frustrierend-defaitistische Autor M. Houellebecq, der jede Hoffnung fahren läßt und (leider realistische) Welten von atomisierten und asozialen Gefühls-Krüppeln beschreibt...

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