Samstag, 26. Juni 2021

Kapitalismus 3: Alles nix Neues - "Segnungen des Fortschritts"

Viviane Forrester (1925-2013) hat in ihrem Bestseller "Der Terror der Ökonomie" bereits vor 25 Jahren beschrieben, was noch heute passiert (und sie hat für dieses Pamphlet, trotz hämischer Verrisse durch die Neoliberalen, in Frankreich ausgerechnet den angesehenen "Prix Medici" erhalten, benannt nach den Miterfindern des Finanz-Kapitalismus...):

>Ein Arbeitsloser ist heute nicht mehr Objekt einer vorübergehenden Ausgliederung aus dem Wirtschafts-Prozeß, die nur einzelne Sektoren betrifft, nein, er ist Teil eines allgemeinen Zusammenbruchs, (...) Opfer einer globalen Logik, die die Abschaffung dessen erfordert, was "Arbeit" genannt wird, das heißt die Abschaffung der Arbeitsplätze. (...)
Man weiß nicht, ob es angesichts eines andauernden, nicht zu behebenden Mangels an Arbeitsplätzen lächerlich ist oder eher grausig, jedem der nach Millionen zählenden Arbeitslosen eine "nachweisbare und ständige" Suche vorzuschreiben - nach einer Arbeit, die es nicht gibt. (...) Es will etwas heißen, daß jene, die die Arbeit in den allermeisten Fällen knechtet, dazu gebracht werden, um Arbeit zu betteln, und zwar egal um welche und egal zu welchem Preis (das heißt immer: zum niedrigsten). (...)

Niemals hätte man sich vorzustellen vermocht, daß die Erlösung vom Halseisen der mühevollen Arbeit einer Katastrophe gleichkäme, (...) und ebensowenig hätte man jemals geahnt, daß eine Welt, die auch ohne den Schweiß auf der Stirn so vieler Menschen auszukommen vermag, sogleich (ja sogar im vorhinein) zur Beute einiger weniger würde und daß man in ihr nichts Dringlicheres zu tun haben würde, als die überflüssig gewordenen Arbeiter gnadenlos in die Enge zu treiben (...). Wir werden zu Zeugen einer immer offenkundigeren Einsetzung einer Oligarchie, zu der angeblich keine wie auch immer geartete Alternative denkbar ist, und erleben einhellige Zustimmung und ein Einverständnis von kosmischen Ausmaßen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Problematik (von Kämpfen ganz zu schweigen) findet nicht statt, fehlt so vollständig, daß den Entscheidungsgewaltigen ganz schwindlig wird.
(...) im Verlauf des G7-Treffens zur Beschäftigung im April 1996 (...) herrschte Einigkeit über die unabdingbare Notwendigkeit einer Deregulierung, einer Flexibilisierung, mit einem Wort: einer "Anpassung" der Arbeit an eine von immer weiteren Kreisen befürwortete, ja sogar zu einem Gemeinplatz gewordene Globalisierung, die sich als völlig indifferent gegenüber "sozialen Fragen" erweist. Dies scheint sich nunmehr von selbst zu verstehen. (...)

Das angelsächsische Modell erzielt seit einiger Zeit Erfolge bei der statistischen Verringerung der Arbeitslosigkeit - dank eines Sozialhilfeniveaus, das fast auf Null gesunken ist, dank eines spektakulären Rekords bei der Flexibilisierung der Arbeit und nicht zuletzt dank der Tatsache, daß -mit den Worten des amerikanischen Arbeitsministers- "die Vereinigten Staaten darin fortfahren, eine große Ungleichheit bei den Einkommen zu dulden (...)".

Zum ersten Mal ist die Masse der Menschen für die kleine Zahl derer, die über die Macht verfügen und für die die Menschen außerhalb ihres kleinen Kreises nur hinsichtlich ihrer Nützlichkeit von Interesse sind (was einem täglich stärker bewußt wird), materiell nicht mehr notwendig und wirtschaftlich erst recht nicht.<

( aus V. Forrester: "L´horreur économique", 1996, dt. 1997, TB 1998, Hervorh. von mir - vgl. H.-P. Martin, H. Schumacher: "Die Globalisierungsfalle", 1996; J. Ziegler: "Das Imperium der Schande", 2005; N. Klein: "Die Schock-Strategie", 2007; J. Stiglitz: "Der Preis der Ungleichheit", 2012)

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