Freitag, 4. Oktober 2024

This land is your land, this land is my land - from the river to the sea (oder: from the sea to the river?)

Heute wurde in der bereits erwähnten all-wöchentlichen "DR-Kultur"-Sabbat-Sendung "Aus der jüdischen Welt" ein alter Schlager abgespielt - der Titel: "From the river to the sea". 

Das war natürlich keine Vertonung der Palästinenser-Parole, die inzwischen "verboten" ist, weil sie "das Existenz-Recht Israels bestreitet" - sondern das hebräische Original aus den 1940er-Jahren, mit dem die Zionisten das Existenz-Recht der Palästinenser bestritten - der imperialistische Zynismus dieser musikalischen Einlage 3 Tage vor dem Jahrestag des "7. Oktober" (Thema der Sendung) scheint der Moderatorin garnicht bewußt zu sein: während die Parole der Palästinenser als "anti-semitistisch" gilt, nennt die Moderatorin (die trotz des Anlasses mit ihrem üblichen jovialen "Schalömchen!" begonnen hatte) die zionistischen Siedler "romantisch", die von einem zukünftigen Israel bis zum Jordan "träumten", als ihnen die selbst-herrlich verblendeten Briten noch nur den Küsten-Streifen ihres palästinensischen Protektorats "frei gegeben" hatten...

Tatsächlich hatte sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine schleppende "legalistische" Taktik der Zionisten durchgesetzt, Land mithilfe des "Nationalen Jüdischen Fonds" von den feudalen arabischen Grundbesitzern (die meist in Jerusalem und anderen Städten wohnten) zu kaufen und dann deren rechtlose Pächter zu vertreiben*. Der 1906 aus Rußland eingewanderte Zionist Ben Gurion (ab 1948 erster Ministerpräsident Israels) verwandelte die ursprünglich sozialistischen Positionen der Bewegung in "nationalistische" und gründete 1920 die Haganah ("Verteidigung"), para-militärische Terror-Banden zur Vertreibung der Palästinenser, aus denen die israelische Armee hervor ging**. Die Idee einer jüdisch-arabischen Integration oder Assimilation aufgrund der semitischen "Rassen-Verwandtschaft" zwischen Diaspora-Juden und Palästinensern wurde aufgegeben, und die neuen revisionistischen Rechten orientierten sich unter anderem am "nationalen Sozialismus" in Mussolinis Italien.

Einer der letzten Kritiker der "Segregation der Araber", Chaim Arlozorov, der 1933 auch ein Emigrations-Abkommen mit Nazi-Deutschland unterzeichnet hatte, wurde 1933 in Tel Aviv ermordet - vermutlich von rechten Zionisten (so, wie 1995 Rabin wegen seines Friedens-Engagements im "Oslo-Abkommen" mit der "PLO"). Die Kontrolle über die Immigration aus Deutschland und Polen übernahmen dann die Rechten, die keine Freunde der proletarisch-sozialistischen "Jiddisch-Kultur" waren.

Der "romantische Traum" eines Israel "from the sea to the river" wurde 1967 mit der militärischen Besetzung des jordanischen West-Jordan, des ägyptischen Gaza und des syrischen Golan verwirklicht: inzwischen ist ungefähr die Hälfte des "autonomen" West-Jordan-Lands von militant-zionistischen Fundamentalisten enteignet und besiedelt, ebenso die Golan-Höhen, und das Freiluft-Gefängnis von Gaza wird gerade unbewohnbar für Palästinenser gemacht - abgesehen davon, daß bereits die Hälfte der Einwohner Jordaniens und Süd-Libanons von den Israelis vertriebene Palästinenser-Flüchtlinge sind...

Was haben sich die seit der Staats-Gründung Israels vorwiegend rechts-"nationalistischen" Regimes von ihrer erst Anglo-, dann US-gestützten spät-imperialistischen Politik anderes erwartet, als einen permanenten Kriegs-Zustand? - Offenbar nichts anderes, wie das aktuelle Regime zugibt, und die Attentats- und Raketen-Alarm-gewohnte Bevölkerung scheint apathisch auf die militär-technische Überlegenheit des Regimes zu vertrauen, das grade an allen Fronten im Namen des "auserwählten Volks" gnadenlos zuschlägt...

P.S.: Ich habe als junger Mensch ein altes jüdisches Ehepaar in Israel besucht, nachdem ich den Mann quasi zufällig kurz in Deutschland kennengelernt hatte: zwei traumatisierte Auschwitz-Überlebende, die nicht über ihre Erlebnisse reden wollten, und die sich durch die Emigration nach Israel zumindest äußerlich (trotz "KZ"-Folge-Krankheiten) von ihrem Trauma befreien wollten und dort eine Familie gründeten: zwei (ebenso, wie ihre damals schon erwachsenen Kinder) herzens-gute antirassistische und soziale Menschen, die mich jungen Deutschen ohne Vorbehalt und ungeachtet unserer vagen "Bekanntschaft" so gastfreundlich aufnahmen und fast wie ihren eigenen Sohn behandelten, daß ich sie (die inzwischen leider gestorben sind) immer noch in liebevoller und verehrender Erinnerung habe... Ich weiß, was Israel für sie und ihre Hoffnung auf ein "normales" Leben bedeutete und habe ihnen so ein Leben natürlich gewünscht (wenig später wurde einer meiner Mitschüler, der einen freiwilligen "sozialen Dienst" in Israel ableistete, bei einem sinnlosen palästinensischen Selbstmord-Attentat getötet...) - aber ich bin sicher, daß die beiden großartigen Alten heute bei Anti-Netanjahu-Demonstrationen auf der Straße wären!
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* das erinnert an die anfängliche Praxis europäischer Kolonialisten, in Nord-Amerika und Afrika Land von angeblichen "Häuptlingen" für eine Hand voll Glasperlen zu "kaufen", worauf sich z.B. Deutsch-Stämmige in Namibia bis heute berufen (siehe: Der vermessene Mensch - Film in voller Länge | ARTE, und: Re: Das Erbe des Kolonialismus - Eine deutsch-namibische Spurensuche - Die ganze Doku | ARTE
** vgl. z.B. den etwas platten, aber wohl gut recherchierten Israel-Roman von F. Schätzing mit dem seltsamen Titel "Breaking News" (2014), der auch die Karriere des rechts-zionistischen Netanjahu verfolgt

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