Gugl mal Deinen Vater oder Großvater (von Mutter oder Großmutter garnicht zu reden): wenn er nicht ein reicher Oligarch, ein hochgeschleimter "Politiker", ein "Star" oder ein General vergangener Kriege war, findest Du nichts über ihn: er ist aus der "Geschichte" verschwunden, nachdem er vermutlich 45 Jahre lang irgendeine stupide Arbeit erledigt hat und danach noch mehr oder weniger lang "Tagesschau" und "Tatort" geguckt hat...
Eine deutsche Kleinstadt hat in den 70er-Jahren ihre "Große Promenade" (die einst, wie die Pariser Boulevards, anstelle der ehemaligen Stadtmauer angelegt worden war) mit "vaterländischem" Pathos in "Konrad-Adenauer-Promenade" umbenannt, obwohl diesen NATO-süchtigen vergreisten Reaktionär nichts mit ihrem Städtchen verbindet - offenbar ist im Magistrat keiner auf die Idee gekommen, die "Promenade" nach dem lokalen Begründer der Volkshochschule, dem lokalen Pionier der Gewerkschafts-Bewegung, dem lokalen Armen-Arzt oder einem ähnlich nützlichen Mitglied der Gesellschaft zu benennen (oder spaßeshalber auch nur nach dem verstorbenen stadtbekannten Unikum), geschweigedenn nach ermordeten jüdischen Mitbürgern oder lokalen Anti-Faschisten, wie es in der DDR wenigstens üblich war... Oder eben nach Deinem Vater oder Großvater, die vielleicht genau dort gelebt haben. (Die Straße, in der ich lebe, muß ja nicht unbedingt nach mir benannt werden, aber meinetwegen gern nach dem alt-eingesessenen netten Bäcker fünf Häuser weiter, oder nach dem verständnisvollen Zahnarzt auf der andern Straßenseite, oder nach dem Pferd des lokalen Bierkutschers vor 100 Jahren...)
99,9999...% der Bevölkerung leben ihr normales, meist bescheidenes und oft armes oder sogar elendes Leben vor sich hin und geraten dann in völlige Vergessenheit, außer noch für ein Weilchen bei ihren Kindern und vielleicht Enkeln, und bei ein paar Freunden... Und doch hatte jeder Einzelne eine einzigartige Biographie, Gefühle, Wünsche und Träume, hat was gesammelt, gebastelt oder geschnitzt, Tauben gezüchtet oder ein Aquarium versorgt, ist gewandert, hat fotografiert oder gern gekocht - genug, um über jeden Einzelnen einen Roman zu schreiben (wie es Chaucer in seinen "Canterbury Tales", Balzac in seiner 88-bändigen "Menschlichen Komödie", Zola in seinem "Rougeon-Macquart"-Zyklus und Steinbeck in seinen Romanen bewiesen haben), und zwar oft interessanter, als die rituell blasierte Welt der privilegierten Wichtigtuer, die uns als erstrebenswert (wenn auch kaum erreichbar) dargestellt wird...
Das heißt nicht, daß Armut "pittoresk" und Reichtum "öde" ist, sondern daß die Milliarden Unbeachteten und arm und dumm Gehaltenen die Mittel verdient hätten, um aus ihrem Leben mehr zu machen, als das einer ermüdeten Arbeits-Ameise, die angesichts der Digitalisierung zunehmend ausgedient hat - Mittel, die ihnen die Minderheit der Plutokraten entzieht, indem sie sie auf ihren virtuellen Spielplatz, die "Finanzmärkte", umleitet und dort mit Ihresgleichen um immer höhere "Jackpots" zockt (s. meinen Vermögens-Vergleich im Eintrag vom 18.12.): das ist der ganze "Sinn" des neoliberalen Kapitalismus, und die neo-feudalen Untertanen sind den hyperreichen Plutokraten noch dankbar, wenn sie zwecks Steuer-Ersparnis aus der Porto-Kasse ihrer Steuer-sparenden "Stiftungen" angeblich "humanitäre" Zwecke finanzieren... Solange keiner dieses System grundlegend angreift und durch ein Menschen-würdiges ersetzt, werden die Massen immer sinnloser, ärmer und unbeachteter leben und sterben... (siehe meinen Eintrag vom 16.12.)
Als letztmögliche Ausbeutung werden Leichen-fleddernde geniale "Frankensteins" noch Milliarden Genome in einer "Cloud" als Rohmaterial speichern - damit wird man ungefähr so "berühmt", wie eine Labor-Schwein-Bauchspeichel-Drüse, die Insulin produzieren muß, oder wie eine Fruchtfliege, an der im Labor Mutationen ausprobiert werden...
Aber "berühmt" bedeutet sowieso nicht das wankelmütige weltweite "Paparazzi-berühmt", sondern nur die wohlwollende Unvergessenheit eines einzigartigen Individuums, und sei es nur in der Kleinstadt oder in den Kreisen, in denen es lebte - das Streben nach "globalem Ruhm" ist sowieso nur eine finanzielle Illusion des virtuellen Kapitalismus.
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