Mittwoch, 7. Juli 2021

EM-Opium für´s Fuß-(ball-)Volk

Bis in meinen Straßen-abgewandten Hof schallt das "Ahhh!" und "Ohhh!" und "Jaaa!" und "Neiiin!" sowohl aus den Lautsprechern des "Public Viewing", als auch von dessen Zuschauern auf den Bürgersteigen vor den "Späti-Kiosken", und auch vor ansonsten netten Kneipen...

Genauso könnte man eigentlich die (dazu natürlich dramatisch etwas in die Länge zu ziehende) Ziehung der Lotto-Zahlen übertragen: 100.000e Leute schreien teils "Ahhh!", teils "Ohhh!", wenn als erstes die 27 fällt, und teils "Jaaa!", teils "Neiiin!", wenn als zweites die 12 fällt, usw. usw.

Genauso könnte man auch eine Web-Cam irgendwo in Alaska aufbauen und die Grizzly-Bären beim saisonalen Lachs-Fang filmen: mal "Jaaa!", mal "Neiiin!" - je nach dem, ob man auf Seite der Lachse oder der Bären ist...

Denn nichts anderes findet beim Fußball statt, wie jeder aus seiner Kindheit weiß: schon auf dem Schulhof oder Bolzplatz ist selbst dem lokalen "Champion" nicht jeder Schuß gelungen, und wenn später und andernorts lauter gedrillte, gedopte und hochbezahlte "Champions" aufeinandertreffen, ist das nicht anders: reiner Zufall bei gleich gedrillten "Gegnern" ("Ahhh!" oder Ohhh!") - wie beim Lotto eben, oder wie im Krieg, wo auch nicht unbedingt der technisch am "besten" Gerüstete gewinnt, wie man spätestens seit Vietnam weiß...

Und bei allen drei Beispielen eigentlich scheißegal für das, was volkt: selbst wenn sie bei "Sport" oder "Lotto" gewettet haben - die Bank gewinnt immer, und beim Krieg gewinnen sowieso immer die, die nicht ihren Kopf, sondern nur ihr Geld hinhalten.

Natürlich ist "Sport" symbolischer Krieg (unter Einhaltung der "Genfer Konventionen" natürlich, und nur selten mit Todes-Opfern), wie man schon an den immensen Investitionen und Profiten sieht - und an den "Uniformen", den an militärischen Gehorsam erinnernden "Regeln", sowie an dem an die "Göring-Pille" (Pervitin) erinnernden Doping.

Fast alle "Sport"-Arten (und das Wort "sport") haben ihren Ursprung in England, und damit im Früh-Kapitalismus, im "Effizienz"-Denken und im Puritanismus (Webers "Protestantischer Ethik"), im militaristischen Imperialismus, und schließlich im Sozial-Darwinismus: der "Sport" (und hierzulande v.a. der Fußball) ist genauso eine konter-revolutionäre Institution, wie das Kopenhagener "Tivoli": die königliche Lizenz für letzteres hat der Erfinder mit dem erfolgreichen Argument erhalten, ein "amüsiertes" Volk sei weniger rebellisch - und recht hat er gehabt: so blöd ist das, was volkt.

Im klassischen deutschen Proleten-Revier, dem Ruhrgebiet, hat sich die ehemals revolutionäre "Rote Ruhr-Armee" von 1920 in die Fan-Klubs von "Schalke", "Rot-Weiß" und "Borussia" aufgelöst, deren Mitglieder sich nur noch über die "Sport"-Seiten der Zeitungen ereifern, sodaß sogar "taz", "Neues Deutschland" und "Junge Welt" (abgesehen von den Mainstream-Medien und den Fernseh-"Nachrichten") meinen, eine solche Seite haben zu müssen - und natürlich ist es nicht nur in Deutschland so...

Was wie Steinzeit-romantischer Lokal-Patriotismus aussieht ("Wir unterstützen unsere Jungs!"), ist längst Schwindel: bis in die unteren Ligen bestehen die Mannschaften zu einem Gutteil aus "zugekauften" (und bald wieder international "verkauften") Profis jedweder Herkunft - die Vereine (und letztlich auch die nicht nur in Frankreich und in den USA aus eingebürgerten Nachkommen von Ex-Sklaven rekrutierten "National"-Mannschaften) sollten sich eher nach ihren Sponsoren oder denen ihrer "Stars" benennen, als nach ihren Heimspiel-Orten, deren Stadien ehrlicherweise oft schon Firmen-Namen haben, wie "Commerzbank-Arena" (jetzt "Deutsche Bank Park"), "Allianz-Arena", "Signal Iduna Park" usw.

Beim deutschen Kleinbürger klingelt trotzdem kein Alarm: die Bundesliga-Ergebnisse sind wichtiger, als die Erhöhung der Rüstungs-Ausgaben, die Mieten-Explosion, Verhungernde in der "3. Welt" und die globale Reichtums-Konzentration - so schlecht geht´s uns ja noch nicht: "We are the champions" und "nur nachhause gehn wir nicht".

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