Leibniz kann sich bestenfalls noch im Grab umdrehen, weil er posthum zum Namenspatron eines "Exzellenz- Clusters" aus zig "hochkarätigen" natur-, kultur-, gesellschafts- und witrtschaftswissenschaftlichen Instituten wurde. Diese "Leibniz-Gemeinschaft" gibt ein "Journal" heraus, das die (jedenfalls im "Exzellenz"-Bereich immer noch) wohldotierte "Wissenschaft" unwillentlich der ihr gebührenden Lächerlich preisgibt, daß es Nietzsche ("Fröhliche Wissenschaft") und Feyerabend ("Wissenschaft als Kunst") ein "innerer Reichsparteitag" wäre, um aus dem aktuellen Schwerpunkt des Journals (3/2012, aus dem auch die folgenden Zitate stammen) zu zitieren.
Das politisch brisante Thema ist allerdings reiner Zufall: die aktuelle Ausgabe zum kommenden 80. Jahrestag der Machterteilung ist genauso positivistisch und "korrekt" (wenn man von Stil und Ausdruck absieht), wie Ausgaben zu anderen Themen, also genauso exemplarisch für die "Wissenschafts"-Kultur, die nach dem Motto "Harvard-Forscher (drunter geht´s nicht so gut) haben herausgefunden, daß Rothaarige sich seltener beim Gemüseschnippeln verletzen" täglich unter "Vermischtes" in der Zeitung auftaucht:
Mit der Untersuchung "Trainierbarkeit der Fahrkompetenz älterer Kraftfahrer im Realverkehr: eine kontrollgruppenbasierte Evaluationsstudie" hat ein Team um Dr. Sebastian Poschadel vom Leibniz- Institut für Arbeitsforschung (...) den ersten Platz des Verkehrssicherheitspreises des Bundesverkehrsministers gewonnen. Die Forscher zeigten, daß die Fahrkompetenz von über 70-jährigen Autofahrern durch ein Fahrtraining längerfristig erhöht werden kann.
Außer der Loriot-mäßig formulierten Erkenntnis, daß (wie bereits seit Pawlow´s sabbernden Hunden vage vermutet) Konditionierung tatsächlich konditioniert, ist daran immerhin interessant, daß es offenbar neben dem taylorisierbaren "Realverkehr" auch einen irrealen zu geben scheint - möglicherweise sogar einen gradezu menschlichen, der Rücksicht auf die Fähigkeiten der Teilnehmer, statt auf die Fähigkeiten der benutzten Maschinen verlangt? Aber das war ja nicht Thema der "Untersuchung".
Wie auch immer, "Wissenschaft" dient seit dem Aussterben der idealistischen Universal-Gelehrten, wie Leibniz, Gauß oder Friedell, in erster Linie dem Abgreifen von staatlich und/oder privatwirtschaftlich "ausgelobten", also an den Anbiederndsten versteigerten "Preisgeldern" und "Fördergeldern":
1,3 Millonen € hat Prof. Eugénia da Conceicáo-Heldt bewilligt bekommen. Den Projektantrag "Delegation of Power to International Organizations and the Institutional Empowerment over Time" hat die Politikwissenschaftlerin während ihres Forschungsaufenthalts am (...) WZB (...) von April 2011 bis Februar 2012 entwickelt.
Halleluja, nach 10 Monaten stipendierten Nachdenkens ist also eine förderwürdige Frage, was auch immer sie bedeuten mag, entstanden, die die Unterhaltskosten des überbezahlten Elfenbeinturms wieder für eine Weile sichert.
Die "Forschungsziele" der jahrzehntelang theoretisch ausgebildeten Ge-lehrten, also der voneinander abschreibenden promovierten und habilitierten "Wissenschaftler", sind längst so "politisch korrekt" und damit schwammig, daß sie den postcartesianisch-nietzscheanischen Zweifel an der "Rationalität" ("Die Logik ist geknüpft an die Bedingung: gesetzt, es gibt identische Fälle. (...) Das heißt, der Wille zur logischen Wahrheit kann sich erst vollziehen, nachdem eine grundsätzliche Fälschung alles Geschehenen angenommen ist.") längst mit einem Schulterzucken einbeziehen:
In einer Studie fanden (Forscher des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung) heraus, daß die Rostocker und Lübecker trotz räumlicher Nähe zu einer gänzlich verschiedenen Einschätzung der Bedrohungslage (durch den Klimawandel) kommen. (...) Die Ursachen der differierenden Wahrnehmung sehen die Forscher des IRS in sozialen und kulturellen Unterschieden..
Eine mutige These: trotz römischem, karolingischem, napoleonischem, preußischem und britischem Imperium, trotz "deutschem Wesen" und Globalisierung gibt es, vorsichtig gesagt, möglicherweise noch (oder wieder) Anlaß zur Vermutung von Unterschieden? Leider ja, Monsieur Descartes:
Während des Zweiten Weltkriegs besetzte die Wehrmacht weite Teile Europas. Was bedeutete das für die Zivilbevölkerung? (...) Seit Mai sind rund 30 Forscher aus 15 Ländern in Europa unterwegs. (...) "Besonders wichtig ist es uns, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzudecken", sagt Peter Haslinger (vom Herder- (und zugleich Leibniz-) Institut für historische Ostmitteleuropaforschung...). Am Ende des Projekts sollen die Ergebnisse in zunächst acht englischsprachigen Editionsbänden veröffentlicht werden. (...) Das Projekt soll die wissenschaftliche Debatte zu einem (...) weitgehend unerforschten Thema beleben, aber auch jenseits der Forschung Impulse setzen.
Wenn schon Rostock und Lübeck endlich wissenschaftlich bewiesenermaßen "Gemeinsamkeiten und Unterschiede" aufweisen, besteht berechtigte Hoffnung, daß hochspezialisierte Experten (vielleicht auch vom Westsüdwest- und vom Nordnordwestmitteleuropaforschungsinstitut) solche auch für Griechenland, Frankreich und Norwegen unter Nazi-Besatzung herausfinden - deshalb habe ich die acht noch zu edierenden Editionsbände (bzw. zu veröffentlichenden Veröffentlichungsbände) per Vorbestellungsformular in meiner Stadtteilbibliothek schon mal als Vorbestellung vorbestellt, um mir selbst einen Impuls zu geben.
Allerdings gibt es aus Sicht der Experten noch
... die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit. Was soll erhalten bleiben, was nicht? Was ist authentisch, echt oder original - und wer trifft die Entscheidung darüber? Im Zuge der strategischen Schwerpunktbildung hat die Leibniz-Gemeinschaft (...) neun Leibniz-Forschungsverbände eingerichtet - einen davon zum Thema "Historische Authentizität". 17 Leibniz-Einrichtungen aus drei Sektionen sowie drei externe Partner kooperieren dabei. "Hauptanliegen des Forschungsverbundes (...) ist es , die Prozesse und Kräfte des Erinnerns und des Vergessens auszuloten", sagt (der) Sprecher des Forschungsvebundes.
Solches "Ausloten" (konkretere Ziele sind nicht genannt) vermeidet garantiert liberal die Aufstellung von Authentizitätskriterien und damit zumindest dogmatische "kubanische Verhältnisse" - das aber vehement und eindeutig.
Schwerer machen es sich die tapferen "Wissenschaftler", die nachweisen wollen, daß die gutgläubigen Deutschen selbst im "totalen Krieg bis zum Endsieg" sich noch eingebildet haben, daß die legendären Autobahnen der Nazis zum Flanieren mit KdF-Wagen gedacht waren, obwohl sie aus ihren "germanischen" Satteldachhäusern längst zur "Heimatfront" abkommandiert und ihre KdF- zu Kübelwagen umfunktioniert waren:
Leibniz-Institute erforschen, wie sich die Nationalsozialisten den Rückhalt der Bevölkerung sicherten - etwa in der Wohnungspolitik. (...) Somit liegt eine Erklärung für die weitreichende Akzeptanz des NS-Regimes darin, daß das politische Handeln der Nationalsozialisten auch während des Krieges noch lange auf die Belastungen des Volkes und auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse Rücksicht nahm - aus Kalkül für ihre verbrecherischen Pläne.
Na, diese bösen netten Verbrecher: dasselbe erzählen "grün"-wählende intellektuelle Doppelverdiener ihren Vorschulkindern nach dem Ballett- oder Chinesisch-Unterricht seit Jahrzehnten zum Einschlafen,und deshalb ist es nur zu begrüßen, wenn diese Legende endlich "wissenschaftlich" untermauert wird - denn endlich kommt´s raus: So waren die gelobten Autobahnen zunächst eher für Panzer gedacht und nicht für die Menschen. Eigentlich nicht "zunächst", sondern eher "schlußendlich", aber jedenfalls: wenn das mein Opa gewußt hätte, ganz zu schweigen von meiner Oma, die die Hosen anhatte... Und wohlgemerkelt hat das alles mit heutigen Verhältnissen sowieso nichts zu tun.
Leichter machen es sich wiederum die "Sprachforscher":
Der Begriff Reichskristallnacht (...) wird langsam rehabilitiert (...), weil sich herumspricht, daß er nicht Jargon der Nazis ist, sondern der Berliner Kodderschnauze entstammt. (...) Gleichwohl nimmt der Gebrauch von Reichskristallnacht in Deutschland ab, während Reichspogromnacht zulegt - so der Befund von (Prof. Heidrun) Kämper bei einer Abfrage von COSMAS, einem am Institut für Deutsche Sprache entwickelten Recherchesystem. (...) Allerdings kommt Kämpers Untersuchung der "ZEIT" für die Jahre 1995-2011 zu einem anderen Resultat: "Hier ist Reichskristallnacht am häufigsten belegt..." Auch wer sich um historische und und moralische Korrektheit (...) bemüht, muß also nicht den Ausdruck Reichskristallnacht vermeiden.
Ein statistisches Worterkennungs- und -zählungsprogramm, das wahrscheinlich ein 15-jähriger Schülerpraktikant geschrieben hat, rehabilitiert die habilitierte Erkenntnis, daß es mal so, mal anders, aber immer politisch korrekt ist. Ein Glück! Und "Neger" entstammt ja der lateinischen Kodderschnauze, und "Kanake" der neukaledonischen...
Statistik kann aber auch Selbstzweck, also schon selbst das "wissenschaftliche Ergebnis" sein:
Welche Länder den Holocaust tatsächlich im Klassenzimmer thematisieren, welche Begrifflichkeiten dabei genutzt werden und wie genau sich die Schulen dem Thema nähern, erforschen derzeit Wissenschaftler des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung. (... Peter Carrier, der das Projekt federführend betreut,) und seine Kollegen rechnen damit, daß der Holocaust in einigen Ländern garnicht oder unter anderem Vorzeichen als in der westlichen Welt thematisiert wird, im Iran etwa (...) In den kommenden Jahren soll im Rahmen (eines anderen Forschungsprojekts) eine Online-Datenbank der weltweiten Lehrpläne erstellt werden. "Dadurch haben wir bereits den Zugang zu Daten und wichtigen Ansprechpartnern", sagt (Eckhardt) Fuchs (der stellvertretende Direktor am GEI).
Auf das Ergebnis aus dem geheimnisumwitterten Iran müssen wir die "kommenden Jahre" noch warten, aber dann können wir endlich auch gugln, wie es der Kongo, Kolumbien und Kuala Lumpur lehrplanmäßig mit dem Holocaust halten und ihnen IWF-Kredite streichen, wenn sie´s nicht wie die "westliche Welt" handhaben - falls die überhaupt das Wort "Lehrplan" kennen
Aber es gibt ja nicht nur ein "Institut für Schulbuchforschung" und die "Telefondesinfizierer" aus "Per Anhalter durch die Galaxis", sondern auch ein Institut für "Comicforschung", das Tim, Struppi & Co. endlich methodisch fundiert untersucht:
Es verwundert (...) nicht, daß sich Wissenschaftler in Belgien mit dem Comic als Forschungsgegenstand näher befassen und zu diesem Zweck die Forschergruppe ACME gegründet haben. (...) Auch wenn sich einige Darstellungen als wissenschaftlich unmöglich erweisen: Comics erzählen Geschichten, die oft in der realen Welt verankert sind, und können somit durchaus zur Wissensvermittlung beitragen.
Diese Binsenweisheit teilt die Leiterin des Brüssel-Büros der Leibniz-Gemeinschaft zur Dokumentation ihrer Existenz- und Gehaltsberechtigung mit, aber zumindest ein Zeilenhonorar als Praktikantin hätte sie schon verdient: Comics sind ja nun wirklich ab und zu als Parabel auf Witzfiguren, wie Betriebs- und Volkswirte, Juristen und Politiker zu lesen, die trotz wissenschaftlich unmöglicher Vorgaben vorgeblich "oft"in der realen Welt verankert" sind und mit ihren "Darstellungen" trotzdem durchkommen, wie uns hunderte von Kabarettisten ständig klarzumachen versuchen: die "Aufklärung" hat es geschafft, daß Kabarettisten die eigentlichen Experten und Wissenschaftler sind.
Wer glaubt, daß die "objektiven" Naturwissenschaften davor gefeit sind, wird schnell eines Besseren belehrt:
Wissenschaftler des Heinrich-Pette-Instituts (...) forschen an den extrem wandlungsfähigen Influenza-Viren. (...) Warum die Grippewelle Deutschland immer in den Herbst- und Wintermonaten erreicht, ist nicht endgültig geklärt. "Das ist die erste und eine der wichtigsten Studien, die klar nachweist, daß das Wetter die Verbreitung von Influenzaviren beeinflußt", sagt (Gülsah) Gabriel (vom HPI...) "Wir wollen die Grippe besser verstehen, um sie bekämpfen zu können."
Die bisher "nicht endgültig geklärte" düster-mittelalterliche Kräuterhexen-Weisheit, daß sich mit den Jahreszeiten erfahrungsgemäß auch das Wetter ändert, könnte also bald als erwiesen gelten, und statt der gedankenlos antiseptischen Anwendung von Kamille und Knoblauch kommt endlich die spätkapitalistische Praxis des Alles-Verstehens zum Tragen: die postmoderne "Wissenschaft" kehrt schleichend zu einem prädarwinistischen Fundamentalismus und Animismus zurück, wenn sie Moleküle "verstehen" will und sie in Abwandlung der "Lohn-Preis-Spirale" zu resistenten Varianten züchtet, um "prophylaktisch" die profitablen Gegenmittel zu fiktiven Bedrohungen entwickeln zu können - das ist ungefähr so sinnvoll, wie die Pseudo-Konkurrenz von "Saturn" und "Media-Markt", die die Schnäppchen-Kultur der ganzen Nation beherrscht, obwohl sie von ein- und demselben Konzern in Szene gesetzt wird und jeder das weiß...
- Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt (Refrain) / daß Marmelade Fett enthält, Fett enthält, Fett enthält / Darum essen wir auf jeder Reise / Marmelade eimerweise.
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