Sonntag, 18. August 2019

"Gelbwesten" oder Hongkong: Demokratie oder Kapitalismus

Auf "arte" kam dieser Tage ein Neben-Bericht über Hongkong: es gehe nämlich nicht nur um "Demokratie" und "Freiheit", sondern es gebe auch ein "soziales Problem" - irgendwer muß nämlich auch im glitzernden Hongkong die Drecksarbeit für einen Appel und ein Ei machen: von den 7,5 Millionen Einwohnern der "Finanz-Metropole" haben schließlich nur 700 ein Vermögen von über 25 Mio. $, zum Teil vermutlich alte Kolonialherren...
Laut diesem Bericht leben 30% der Bevölkerung in "Sozialwohnungen", die wegen der Immobilien- und Bodenspekulation den größten Teil ihres Einkommens fressen, und ein vielleicht nochmal so großer Teil der Bevölkerung, die schlechtestbezahlten Arbeiter und ärmsten Rentner, bezahlen 200 €/Monat für eins von zehn Stockbetten in einem 20-m²-Zimmer in einem verrotteten Mietshaus hinter der berühmten Banken-Hochhaus-Skyline und können sich nichts mehr zu Essen leisten: das ist das von den Briten hinterlassene kapitalistische System, das wer auch immer als "Sonder-Wirtschafts-Zone" gegen den "chinesischen Zentralismus" aufrechterhalten will: selbst im "Entwicklungsland" China ist die Armutsrate geringer...
"arte" treibt einen dieser elenden Rentner in solch einem Loch auf seiner Holz-Pritsche auf und läßt ihn in die Kamera sagen, daß er die "Demokratie-Bewegung" unterstützt - für die Plutokraten-"Demokratie", die ihn mit ihrem Turbo-Kapitalismus in seine Lage gebracht hat... Das erinnert an "Redneck"-US-Fundamentalisten, die lieber an einer Blinddarmentzündung verrecken, als einer "kommunistischen" staatlichen Krankenversicherung zuzustimmen - was auch immer der "chinesische Zentralismus" (vielleicht sogar mehr als der europäische und US-amerikanische) für "böse" Folgen hatte und hat: immerhin hat er in den letzten Jahrzehnten Millionen Chinesen aus unterentwickelter Armut herausgeführt und geht Probleme wie Verteilungs-Gerechtigkeit, Oligarchie-Gefahr, Korruption und Umweltschutz wesentlich rationaler an, als die pur kapitalistischen Länder - übrigens auch im esoterisch romantisierten ehemals brutal religiös-feudalen Tibet, dessen "Dalai Lama" im Exil leicht von "Liebe" und "Menschlichkeit" salbadern kann, seit er nicht mehr über seine Mönchs-Aristokratie herrscht... Und die größte Überwachungs-Kamera-Dichte hatte bisher Großbritannien, von den US-Daten-Kraken nicht zu reden...
Abgesehen davon hat der "Westen" sowieso kein Recht, sich in die Entwicklung anderer Länder und Kulturen einzumischen, und schon garnicht in die von historisch und sozial völlig anders strukturierten, sofern es kein UN-Mandat gibt, gegen menschen- oder völkerrechtliche Katastrophen vorzugehen - aber solche erzeugt der "Westen" ja lieber (Persien, Chile, Mittelamerika, Kongo, Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen...) oder duldet sie zumindest (Südafrika, Ruanda, Sau-Arabien, Emirate, Sudan, Philippinen, Türkei, Brasilien...), sofern es Waffen-Kunden sind...

Außerdem fällt auf, daß über die teils "gewalttätigen" Massen in Hongkong (die natürlich, wie offen zugegeben wird, vom "Westen", wie alles "Demokratische", finanziell unterstützt werden - wenn die chinesische Presse das zitiert, ist es allerdings "Propaganda"...) sehr wohlwollend berichtet wird, während bei den französischen "Gelbwesten" sofort rechts- wie linksradikale "Unterwanderung" und "Vereinnahmung" unterstellt wurde - wenn die "Gelbwesten" tagelang französische Flughäfen blockiert hätten, hätte Macrönchen wahrscheinlich französisches Militär eingesetzt (oder wäre, wie Degaulle 1968, im Hubschrauber nach Deutschland geflohen).
Natürlich gab es das Massaker auf dem "Platz des himmlischen Friedens", aber es gab auch 1961 das polizeiliche Algerier-Massaker mitten in Paris, 1999 die NATO-Bombardierung von Belgrad und zig andere Staats- und Kriegsverbrechen der westlich-"demokratischen" Staaten und von deren Vorreiter USA, nicht zu vergessen die Massaker der NATO-Geheim-Armee "Gladio" und ihrer rechts-radikalen Hilfstruppen, vor allem in Italien...
Die uns ehemals kulturell überlegenen Chinesen sind also in dieser Hinsicht bloß so blöd, sich den Gepflogenheiten der "modernen Welt" anzupassen: die China-treuen Hongkong-Bullen benutzen international geächtete "Gummi-Geschosse"? Nasowas - das tun die französischen (und bis vor kurzem die deutschen) Bullen auch - im "demokratischen" Europa sind die "gewalttätigen Massen" selbst Schuld, wenn der eine oder andere dadurch ein Auge verliert, in Hongkong ist es (richtigerweise) eine Menschenrechts-Verletzung. Daß Staatsregierungen mit Gewalt gegen ihre aufmüpfigen Bürger vorgehen, ist allerdings in jedem Fall eine Menschenrechts-Verletzung und in jedem Fall schlimmer, als irgendeine Sachbeschädigung, auch wenn letztere nach unserm alt-römisch-faschistischen Recht das Schlimmste ist.
Das Problem ist, daß die menschliche Entwicklung seit den Sumerern, den Römern und der "Renaissance" (trotz der heilsamen "barbarischen" Unterbrechungen) in die falsche Richtung läuft und daß die "Aufklärung" garkeine war: wir werden seither immer dümmer und zugleich arroganter und nennen das "Zivilisation".

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