Sonntag, 6. Februar 2011

Räumung der Liebigstraße 14, Berlin-Friedrichshain, 2.2.2011

Innensenator Körting (SPD): "... keine alternativen Lebensformen, sondern Mißachtung der Rechtsordnung..."
Kandidatin Künast (Grüne): "... Räumung war rechtmäßig, der ganze Prozeß transparent... Verständnis für das Vorgehen der Polizei..."
Kandidat Henkel (CDU): "... Solidarisierer wie Ströbele sind mitverantwortlich für Gewalt..."
Polizeisprecher: "... Randalierer gehen menschenverachtend vor..."

Jean-Paul Marat (an die Nationalversammlung der französischen Revolution, 1789): "Was sind einige an einem einzigen Tag vom Volk geplünderte Häuser im Vergleich zu der Veruntreuung, die die ganze Nation fünfzehn Jahrhunderte hindurch vonseiten unserer drei Königsgeschlechter erlitten hat? Was sind einige ruinierte Personen im Vergleich zu einer Milliarde Menschen, die von öffentlichen Steuerpächtern, Vampiren und Vergeudern ausgeraubt worden sind?"
(zit. n. Jean Ziegler: "Das Imperium der Schande", 2005, S. 92)

Die "Möbelhöffnerikeamanufactum"-Elite hat gesprochen: Armut kotzt uns an und gehört in die Vorstädte, denn was "alternative Lebensformen" sind, entscheiden Sozialtechnologen oder bestenfalls die kreditwürdigen Miteigentümer von modischen "Baugemeinschaften" oder "Car-Loft"-Häusern.
Wer sich lieber mit Sperrmüll einrichtet, als dem System in den Arsch zu kriechen, ist nicht nur eklig, sondern auch ein gefährlicher "Links-Extremist" - und mittlerweile (wie heißt nochmal die derzeitige Familienministerin?) gelten ja wieder Leute, die eine gleichberechtigte, demokratische Gesellschaft ohne Ausbeutung (manchmal, igitt, "Kommunismus" genannt) für erstrebenswert halten, für gefährlicher, als Neonazis und andere Faschisten und deren Steigbügelhalter... (Wie und wo wohnen eigentlich Neonazis?)

Die "Rechtsordnung" der Oligarchie und ihrer politischen Dienstboten überzeugt aus gutem Grund so manchen nicht mehr: "Recht" gibt es für das Privateigentum und seine Kapitalverweser, in diesem Fall für den "Investor" und Hauseigentümer, was Künast vorauseilend staatsmännisch auch ganz in Recht und Ordnung findet - für die tumbe Masse gibt es "Ordnung" und bißchen Brot und Spiele, falls nicht grade die Verluste von Börsen-Spekulanten auf sie abgewälzt werden: der Zuwachs des deutschen Staatsdefizits in den letzten zehn Jahren entspricht witzigerweise genau dem gleichzeitigen Vermögenszuwachs der paar Prozent deutscher Großkotze, die Millionäre oder Milliardäre sind...
Zu diesem gigantischen Beschiß kommt es durch strukturelle Gewalt (Abschaffung der Vermögenssteuer, Spekulation mit Wohnraum und Grundbedarfsgütern, Ausweitung des Niedriglohnsektors usw. usw.) und, im Fall von Insubordination oder Widerstand, auch durch direkte polizeiliche Gewalt und Einschüchterung - das System besteht aus Gewalt und spricht die Sprache der Gewalt.
Bei jeder noch so kleinen und von vornherein unterlegenen Aktion, die über wirkungslose symbolische "Demonstrationen" unter Polizei-Bewachung hinausgehen, schreit das System mitten ins Gewaltmonopolsmark getroffen auf, weil die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" nun mal auf entfremdeten, bürokratisierten und kontrollierten Untertanen beruht, die sich jeder autonomen Handlung zu enthalten haben, und diese Untertanen können nicht den kleinsten bunten Fleck in ihrem schwarz-weißen (also letztlich grauen) Stadt- und Lebensplan ertragen - daher die Kleinbürger- und "Springer"-Zeitungs-Vorliebe für Herrn Sarrazin mit seiner protofaschistischen Rassen- und Unterschichtshygiene, sowie für Frau Sarrazin mit ihrer Kasernenhof-Disziplin: sowas sind Gewaltverherrlicher, und nicht paar über die Refeudalisierung der Gesellschaft Empörte, die mal eine Bankfilialenscheibe einschmeißen oder ein "SUV" ankokeln und dafür eher in den Knast kommen, als ein "Manager" oder Politiker, der diverse Millionen "veruntreut" hat...
Wer öffentliches Eigentum privatisiert und dann dem Spekulanten seinen Besitzanspruch gegen ein Häufchen "rote Zecken" mit einem Polizeiaufgebot erzwingt, das mehr Steuergeld kostet, als der Besitz wert ist, weil es ums Prinzip (Eigentum ist Recht und Freiheit) und Exempel geht - der schürt Gewalt, und nicht ein Ströbele, der wie eine Mischung aus Gandhi und Miraculix von seiner Partei verlassen durch die Gegend radelt.
Und auch wenn manche Bullen sich da "mißbraucht" fühlen, steigert das doch nur ihren korporierten Zorn auf den "Abschaum", wegen dem sie Überstunden machen müssen: ein aus Hessen herbeigekarrter Jungbulle (Vorname der Redaktion bekannt) ist überzeugt, daß in Friedrichshain-Kreuzberg "nur Tiere" wohnen... Erfahrungsgemäß wird jeder von ihnen auf Befehl der Stimme aus dem Knopf im Ohr zum Gewaltmonopolsvollstrecker, und wer nicht brav an sich "vollstrecken" läßt, sondern sich wehrt, handelt "menschenverachtend" und wird entsprechend behandelt...
Bei normalen Menschen ruft der Anblick der grotesken Klonkrieger entweder Angst oder Aggressionen hervor, bei Künast und Konsorten der Anblick von Leuten, die schwarze Jacken vom Trödel tragen, bei Rot über die Ampel gehen und vor Wut die Mülltonne auf die Straße schieben, in die man sie aussortieren will.

Lieber hundert diffus linke Gröler mit Spätkauf-Bier in der Hand, als (um nur von Berlin zu reden) einen Macht-Pekinesen wie Künast mit Bio-Prosecco-Blasen vorm Mund, eine Bonzenmaske wie Körting mit gepflegtem "Tagesthemen"-Cognac, einen Cocktail-beschwingten Schwätzer wie Wowereit, oder einen Baumarkt-Praktiker wie Wolf mit Chateau-Neuf-du-IWF...
Ganz zu schweigen von einem Sarrazin mit dem Charme von Abführtee, und von seinen stuhlverhaltenden Jubelberlinern, die am Stammtisch pöbeln: "Is doch wahr, allet Arbeetsscheue, Struppis un Chaoten...", weil sie draußen im System auch nur kleine Lichter sind, die sich so krampfhaft am unteren Rand festhalten, daß sie nicht mehr wissen, wo oben und unten ist...
Angesichts der derzeitigen Aufstände in Tunesien und Ägypten meinte der Vositzende der "gemäßigten" Palästinensischen Nationalen Initiative, Mustafa Barghouti: "Vielleicht gäbe es auch in einigen europäischen Ländern Massenproteste, wenn die Leute dort besser informiert würden." - Ausgerechnet von einem Palästinenser läßt sich ein "gewöhnlich gut informierter" Deutscher natürlich garnichts sagen: man weiß ja, wie´s bei denen zugeht...